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Kein Logistikzentrum und Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Würgassen, dafür Produktion von "Grünem Wasserstoff"

SPD Kreistagsfraktion stellt Antrag in der nächsten Kreistagssitzung

Der Beschlussvorschlag für die kommende Sitzung lautet: Der Kreistag des Landkreises Kassel lehnt ein Logistikzentrum sowie Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle am Standort Würgassen ab und regt an, an diesem Standort die Erzeugung von „Grünem Wasserstoff“ zu prüfen.

Der Kreisausschuss wird aufgefordert, diesen Beschluss dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zu übermitteln. Gleichzeitig soll die BGZ aufgefordert werden mitzuteilen, welche und nach welchen Auswahlkriterien Grundstücke für ein solches Logistikzentrum/Zwischenlager untersucht wurden. Außerdem soll die BGZ darlegen, warum die Entscheidung auf Würgassen gefallen ist.

Begründung/Hintergrund:

Die Entsorgung von hochradioaktiven Abfällen ist in der Bundesrepublik Deutschland bis zum heutigen Tage nicht gelöst. Über Jahrzehnte hat die Suche nach einem sog. Endlager zu keinem Ergebnis geführt. Eine definitive Standortbestimmung ist derzeit nicht absehbar.

Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist demgegenüber der Schacht Konrad in Salzgitter genehmigt. Diesem Endlager soll ein zentrales Logistikzentrum/Zwischenlager zugeordnet werden. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat die BGZ nach eigenen Angaben 28 Grundstücke, u. a. Kraftwerkstandorte, untersucht. Welche und nach welchen Auswahlkriterien ist bislang öffentlich unzureichend kommuniziert worden.

Bekanntgegeben wurde Anfang März 2020 in einer Pressekonferenz der BGZ in Beverungen, Kreis Höxter, am Standort des ehemaligen Atomkraftwerks Würgassen ein solches Zwischenlager/Logistikzentrum einzurichten.

Das Kernkraftwerk Würgassen, ein 600 MW-Siedewasserreaktor wurde 1971 in Betrieb genommen. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Störfälle wurde Würgassen 1995 als erstes KKW in der Bundesrepublik Deutschland stillgelegt und in den folgenden Jahren zurückgebaut. Ein Meilenstein des Rückbaus war die Zerlegung des Reaktordruckgefäßes im Winter 2010. Nach 16 Jahren konnte 2014 das Rückbauprojekt atomrechtlich abgeschlossen werden.

In unmittelbarer Nachbarschaft entwickelte sich südlich von Lauenförde ein attraktives Freizeit- und Naherholungsgebiet mit Ferienhäusern, einem Campingplatz und einem Flusshafen. Im näheren Umfeld liegen kulturhistorisch und damit touristisch bedeutende Orte wie die Barockstadt Bad Karlshafen mit der Klosterstadt Helmarshausen, der Krukenburg und Herstelle, wo Karl der Große 997/98 in einem historisch bedeutenden Winterlager residierte.

Jenseits der emotionalen Betroffenheit der Menschen im „Dreiländereck“ Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen über den Vorschlag der BGZ am fast vergessenen KKW-Standort Würgassen dauerhaft ein Logistikzentrum und Zwischenlager für radioaktive Abfälle einzurichten, ist auch rational diese Standortwahl nicht nachvollziehbar.

Daher sollten aus logistischer, sicherheitstechnischer und ökologischer Sicht andere Alternativen geprüft werden. Dies gilt insbesondere mit Blick das Endlager im Schacht Konrad in Salzgitter.

Für den mittlerweile zurückgebauten ehemaligen KKW-Standort Würgassen bietet sich demgegenüber eine zukunftsorientierte energetische Nutzung an, die nicht zuletzt auf dessen Einbindung in regionale und überregionale Stromnetze beruht. Im Radius von ca. 100 km produzieren in Ostwestfalen und Nordhessen hunderte Windstromrotoren Strom. Der je nach Wetterlage temporär immer wieder auftretende „Stromüberschuss“ könnte nach Würgassen geleitet werden und dort „Grünen“ Wasserstoff“ erzeugen. Dies wäre eine nachhaltige Nutzung des Standortes, der nicht nukleare Vergangenheitsbewältigung, sondern regenerative Zukunftsgestaltung im Sinne der Region als Chance bietet.

Veröffentlicht: 16.06.2020

© Andreas Siebert
Datum des Ausdrucks: 16.04.2024